Grimes_Titel

Heinz Protzer:
Attila Zoller: Sein Leben – Seine Zeit – Seine Musik


Selbstverlag des Autors, 1., Aufl. (April 2009)
Erftstadtew 2009


ISBN: 978-3000265686


Attila Zoller gehört zu den wichtigsten europäischen Gitarristen der 1950er und 1960er Jahre und hat auch nach seinem Umzug in die USA konsequent eine ästhetisch suchende Haltung verfolgt, die das Risiko und das Suchen nach neuen Wegen der Sicherheit und den ausgetretenen Pfaden vorzog. Heinz Protzer würdigt Leben und Musik dieses ungaro-austro-deutsch-amerikanischen Musikers in einem umfangreichen Buch, in dem auch Kollegen und Zeitzeugen ausführlich zu Wort kommen. Bis 1948 lebte der 1927 geborene Attila Zoller in Ungarn, wo er traditionelle Musik spielte, aber etwa um 1946/47 auch zum ersten Mal Jazz hörte. 1948 ging er nach Wien, wo er endgültig zum Jazz konvertierte. Er spielte mit Joe Zawinul, Hans Koller und vor allem mit der Vibraphonistin Vera Auer, in deren Quartett er einige Jahre lang mitwirkte. 1954 zog es ihn nach Deutschland, wo es vor allem in den US-Army-Clubs viel Arbeit gab. Zoller wurde in die Frankfurter Jazzszene aufgenommen, mit deren Musikern er auch ästhetisch einiges gemeinsam hatte: das Interesse an musikalischen Experimenten à la Lennie Tristano beispielsweise. Bald spielte er mit Jutta Hipp, dann mit dem New Jazz Ensemble Hans Kollers, lebte ein Nomadenleben im Untergrund der Jazzszene. 1958 gründete er ein Quartett zusammen mit dem damals in Baden-Baden lebenden Bassisten und Cellisten Oscar Pettiford, dem außerdem Koller und der Schlagzeuger Jimmy Pratt angehörten. 1959 erhielt Zoller durch Fürsprache seines Kollegen Jim Hall ein Stipendium für die School of Jazz in Lenox, eine Art Jazz-Sommerakademie, und erreichte das Ursprungsland des Jazz im Spätsommer 1959. Dort war er auch seiner Verlobten Jutta Hipp wieder nahe – die Beziehung ging allerdings bald darauf in die Brüche und er spielte sogar mit dem Gedanken, nach Deutschland zurückzukehren. Allerdings lernte er bald darauf eine andere Frau kennen, die er im Februar 1960 heiratete. Er spielte in den New Yorker Clubs, arbeitete als Vertreter für die Gitarrenbaufirma Framus, wirkte in den Bands von Herbie Mann und Dave Pike mit. Zwischendurch reiste er immer wieder mal nach Europa, erhielt 1965 einen Preis für seine Musik zum Film „Das Brot der frühen Jahre“ nach Heinrich Böll und spielte die vielgerühmte Platte „Heinrich Heine – Lyrik und Jazz“ ein. Ende der 1960er Jahre nahm er ein vielbeachtetes Album mit Albert Mangelsdorff und Martial Solal auf und baute in den 1970er Jahren in Vermont, wo er sich niedergelassen hatte, eine Art Jazzschule auf. In den 1970er bis 1990er Jahren arbeitete er mit vielen unterschiedlichen Musikern, litt aber nach 1994 stark unter einer Krebserkrankung, an der er am 25. Januar 1998 verstarb. Protzer hat die Lebensgeschichte des Gitarristen sorgfältig recherchiert und reichert sie um Interviewausschnitte sowohl mit Zoller als auch mit ihm verbundenen Musikern an. Ein als „Chronik“ überschriebener Teil des Buchs stellt die Biografie in Beziehung zu allgemein- und musikgeschichtlichen Ereignissen und Entwicklungen der Zeit. Im Kapitel über seine Musik zitiert er vor allem Kritiken und andere Literatur, die Zollers musikalische Leistungen würdigt, beschreibt aber nicht wirklich die musikalischen Besonderheiten in seinem Spiel. Es gibt ein Kapitel zur Filmmusik – neben dem „Brot der frühen Tage“ schrieb Zoller etwa auch die Musik zu „Katz und Maus“ nach Günter Grass –, ein Kapitel über Zoller, den Innovator, und eines über den Pädagogen und Gründer des Vermont Jazz Center. Außerdem finden sich Originalbeiträge von Zeitzeugen und Musikern, Würdigungen von Alexander Schmitz, Gudrun Endress, Jimmy Raney, Sandor Szabo, Klaus Doldinger, Lajos Dudas, Willi Geipel, Helmut Nieberle, Fritz Pauer, Aladar Pege, Werner Wunderlich, Matthias Winckelmann und Ingeborg Drews. Am Ende des Buchs steht eine von Michael Frohne zusammengestellte umfassende Zoller-Diskografie, die Aufnahmen von 1950 bis 1998 verzeichnet. Ein Personenindex und etliche zum Teil seltene und bislang unveröffentlichte Fotos runden das Buch ab, das nicht nur eine große Verbeugung vor Attila Zoller, dem innovativen Gitarristen darstellt, sondern auch ein Beitrag zur europäischen Jazzgeschichte und zur (noch ungeschriebenen) Geschichte europäischer Expatriates in den USA ist. (Wolfram Knauer)

Quelle: http://www.jazzinstitut.de/
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

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